The Cult - Tamburin

 

Tamburin

Text: Andreas Reihse Bild: Nancy Paris

The Cult, 6. März 2008, Köln

Es ist dunkel. Walter Carlos Titelmusik von "A Clockwork Orange" schallt aus den Boxen. Von rechts betreten die Jungs die Bühne, packen sich die Instrumente, Billy Duffy schrammt einen AC/DC Riff, Ian Astbury schlägt das Tamburin, Scheinwerfer an! Yeah, ich bin da, wo ich The Cult verlassen hatte - damals vor 20 Jahren. Nichts hat sich geändert.

 
Willkommen im Lande des Rockrock. Astbury wurde Anfang der 80er Jahre einen Moment lang für einen Postpunk gehalten, bevor er seiner Selbst gewahr wurde und sich mit dem frisch von Theatre of Hate geschassten Billy Duffy als The Cult zum melodiösen Hardrock aufmachte. Astbury gab sich in seinen Texten meist global-spirituell, Duffy frönte seiner Vorliebe der Gitarrenarbeit von Angus und Malcolm Young - allerdings ohne sich vom Humor der Australier (hochgepitchter Gesang, beknackte Texte, Dudelsack und alte Männer in Schuluniform) beeindrucken zu lassen. Was mochte ich daran? Es mag pathologisch klingen, aber es war tatsächlich das Tamburin. Natürlich lag - neben aller pubertären Ernsthaftigkeit - auch ein gewisses glamouröses Versprechen in The Cult, Astburys glattes langes Haar, die überbordende Grafik, das Lied über Edie Sedgwick. Wenn Astbury das Tamburin schlug, dann glaubte ich ihm - einen Sommer lang.

Am Abend des 6. März 2008 hörte ich auf der Cult-Seite zur Einstimmung in deren neues Album "Born into this" rein. Und dachte, na soweit weg von der aktuellen Duran Duran ist das ja gar nicht. Gegen Neun fuhr ich los Richtung Live Music Hall und fand erstaunlich leicht einen Parkplatz. Das "einzige Konzert in Deutschland" war also nicht ausverkauft. Ich stand mit etwa 1000 Besuchern in der Halle herum, wo wir einem iPod Shuffle-Mix, vermutlich dem des Saaltechnikers, ausgeliefert waren. Die hellerleuchtete Bühne war mit einigen Gitarren-Amps bestückt. Kein The Cult-Logo aus Styropor. Nichtmal ein Vorhang. Ein Typ mit Gitarre wanderte Riffs-dreschend herum und verschwand wieder. Nach der dritten Runde war klar, dass das nicht noch eine Myspace-Vorband ist, sondern der Gitarrensoundcheck von The Cult. Das vorwiegend männliche Publikum trug vorwiegend dicken Bauch, gedeckte Farben und wenig Haare. Höfliche Mitvierziger. Gerade mal vier Lichtblicke entdeckte ich: einen älteren Rock-Hasen, der Nick Nolte gleich lässig durch die Zuschauerreihen Richtung Bierstand groovte, zwei hübsche Alkopops-Mädchen und einen süssen Jungen mit schulterlangem Wasserstoff-blonden Haar. Dreissig Minuten später wurde endlich das Saallicht gedimmt und Wendy Carlos erklang.

Astbury war überraschend gut bei Stimme, wohl drogenfrei und höflich zum Publikum ("Wie gehen Sie?" und "Tschüß" für "Thanks"). Der Raumklang war hervorragend, die Band spielte sauber und präzise. Keine Ausrutscher. Der zweite Gitarrist war im Mix kaum zu hören; dafür hüpfte er als Zebra verkleidet über die Bühne; das war nicht mit Anzusehen, im Laufe des Abends aber leider das Einzige, was aus der Mediokrität hervorstach. Es wurde nämlich ziemlich bald ziemlich langweilig. Astbury war eher nicht der charismatische Frontmann; und gestylt, als würde er sich mal wieder auf ein Jim Morrison-Casting vorbereiten. Duffy war mit modischem Shoreditch/Berlin-Mitte Haarschnitt einen Hauch glamouröser; schlecht gelaunt stritt er den ganzen Auftritt lang mit dem Bühnensound-Techniker. Die Setliste orientierte sich am 1991er Album "Live Cult" - also vorwiegend Songs von "Love", "Electric" und "Sonic Temple" (1985 - 1987 - 1989) in konservativen, unmerklich veränderten Liveversionen. Gerade mal drei Stücke vom aktuellen Album. Ich war in einen Oldie-Abend geraten, eine Oldie-Band spielt ihr Greatest Hits-Programm für ihr Oldie-Publikum. Nach 60 Minuten war der Spuk vorbei. Drei Zugaben noch, das Saallicht geht an, als Rausschmeisser läuft Charlie Chaplins "Smile": "When there are clouds in the sky/ You'll get by/ If you smile". Ich nahm es mir zu Herzen, beendete die Nacht zu Yachtrock und Parage tanzend im Sixpack und fühlte mich mehr als jung. Und wegen des Tamburins werde ich mal meinen Analytiker fragen.

(Spex Mai 2008)